Umgang mit Emotionen

 

Der Umgang mit starken Emotionen in der Beratung kann selbst für erfahrene Berater*innen eine Herausforderung darstellen.
Wenn in der Beratung die Rat suchende Person plötzlich zu weinen beginnt oder wütend und aggressiv wird, fühlen Sie sich in dieser Situation vielleicht überfordert und fragen sich, wie Sie am besten reagieren können. Möglicherweise merken Sie in einer Beratungssituation aber auch, dass Sie selbst gerade wütend auf Ihr Gegenüber bzw. in Bezug auf sein oder ihr Anliegen werden.
In einer Beratungssituation können wir sowohl mit eigenen Gefühlen, die eine Beratung in uns auslöst, als auch mit den Gefühlen der Ratsuchenden konfrontiert werden. Insbesondere Themen, die sich direkt auf persönliche Lebens- und Studienpläne auswirken, können bei Studierenden starke Emotionen, wie z.B. Trauer, Wut oder Angst hervorrufen. Bestimmte Verhaltensweisen oder Äußerungen der Ratsuchenden können aber auch in uns als Berater*in negative Gefühle auslösen. 

Handlungsstrategien

Vorab: Der Umgang mit Emotionen in der Beratung ist ein komplexes und sehr individuelles Thema. Bei Bedarf einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema können Sie sich hier über geeignete Fortbildungsveranstaltungen informieren.

Die hier dargestellten Handlungsstrategien stellen Beispiele für den Umgang mit solchen Situationen dar.

  • Nehmen Sie die Gefühle der Ratsuchenden, aber auch für Ihre eigenen Gefühle während einer Beratungssituation ernst.
  • Lenken Sie den Fokus auf den Beziehungsaspekt der Beratung und lassen Sie die inhaltliche Ebene vorerst außen vor. Ignorieren Sie die gezeigte Gefühlsäußerung also nicht, sondern thematisieren Sie sie ganz bewusst. Sie können z.B. fragen „Was genau macht Sie gerade so wütend/traurig?“ oder auch nur feststellen „Sie sind gerade ganz schön wütend/traurig, oder?“

Umgang mit Wut/Aggression

Warum wird ein*e Ratsuchende*r aggressiv? Wenn Sie die Gründe für die gezeigte Emotion verstehen oder nachvollziehen können, können Sie mit der Situation besser umgehen.

Ratsuchende sind z.B. aggressiv,
  • weil sie sich in einer für sie bedrohlichen Situation befinden,
  • weil sie Scham empfinden und sich selbst Vorwürfe (für ein „Versagen“) machen,
  • weil sie sich in einem Konflikt befinden, der sich in der Beratung entlädt,
  • weil sie gestresst und frustriert sind,
  • weil sie sich von der*dem Berater*in angegriffen fühlen (durch Bewertung oder Schuldzuweisung),
  • weil sie einen Kontrollverlust erleben und nicht weiterwissen,
  • als Folge einer Krankheit oder Medikamenteneinnahme.
Das können Sie tun:
  • Schaffen Sie inneren Abstand, d.h. stellen Sie sich ganz konkret eine physische Grenze zwischen Ihnen und der*dem Ratsuchenden vor, z.B. eine Plexiglasscheibe. Machen Sie sich klar: „Das trifft mich nicht, das ist seine*ihre Wut und nicht meine“.
  • Schaffen Sie äußeren Abstand, d.h. schaffen Sie sich Platz, halten Sie körperlich Abstand, nehmen Sie eine natürliche Haltung ein.
  • Nehmen Sie eine selbstbewusste Körperhaltung ein, d.h. sitzen oder stehen Sie sicher auf beiden Beinen, ändern Sie Ihre Haltung möglichst wenig und halten Sie Blickkontakt mit Ihrem Gegenüber. Sprechen Sie kraftvoll und nicht zu leise. Das wirkt selbstsicher und ruhig.
  • Geben Sie Ihrem Gegenüber die Möglichkeit Dampf abzulassen, d.h. lassen Sie ausreden und hören Sie aktiv zu.
  • Bleiben Sie sachlich, antworten Sie sachlich. So fühlt sich Ihr Gegenüber in seiner Emotion ernst genommen und gesehen. Dabei kann Ihnen die Grundhaltung der Akzeptanz und Wertschätzung helfen. Sie müssen nicht das Verhalten akzeptieren, sondern den Menschen. Wenn Sie allerdings in die Emotion einsteigen und Ihrerseits mit Wut oder Aggression reagieren, könnten Sie zur Eskalation beitragen.
  • Vermeiden Sie es, sich zu rechtfertigen oder nach Erklärungen zu suchen, das kann die Situation noch weiter eskalieren.
  • Zeigen Sie Interesse an einer Lösung, fragen Sie z.B. „Wie können Sie dieses Problem lösen?“, „Welche Alternativen haben Sie?“, „Was brauchen Sie, um die Situation zu bewältigen?“. Hier können Sie selbstverständlich auch an andere Beratungseinrichtungen innerhalb und außerhalb der Universität verweisen (siehe Einrichtungen und Beratungsanliegen).
  • Wenn die Emotionen stark hochkochen, können Sie eine*n Kolleg*in hinzurufen und/oder das Gespräch vertagen.
  • Es ist völlig in Ordnung, sich bei stark hochkochenden Emotionen von einer Beratungssituation überfordert zu fühlen und diese abzubrechen oder die Person weiterzuverweisen. Stellen Sie hier keine überhöhten Ansprüche an sich selbst.
  • Wenn Sie sich durch aggressives Verhalten einer*s Ratsuchenden bedroht fühlen, besprechen Sie mit Ihrer Leitung die Möglichkeit eines Flurnotrufs oder einer Notwahltaste auf dem Telefon.

Diese drei Grundsätze können beim Umgang mit aggressiven Personen in der Beratung helfen:

  1. Situation annehmen: Nicht diskutieren, rechtfertigen oder erklären, sondern erst einmal annehmen, was Ihr Gegenüber zu sagen hat.
  2. Person beruhigen: Aktiv zuhören
  3. Führen:
    1. Brücke bauen: „Ich verstehe, dass Sie erregt sind, weil... . „Ich möchte/werde mich deshalb jedoch nicht von Ihnen persönlich beleidigen lassen.“
    2. Eigene Position stärken: „Sie haben mich beleidigt und das ist keine Umgangsform, die ich in meiner Beratung dulde.“
    3. Gespräch abbrechen: „Ich bin unter diesen Umständen nicht bereit, das Gespräch fortzusetzen. Bitte verlassen Sie mein Büro. Sie können sich bei mir melden, sobald Sie sich beruhigt haben.“

Exkurs: Wie kann ich schlechte Nachrichten gut vermitteln?

Wutausbrüche oder psychische Krisen lassen sich mitunter dadurch etwas entschärfen, dass wir als Berater*in im Vorfeld überlegen, wie wir schlechte Nachrichten oder Informationen, die unser Gegenüber nicht hören möchte, möglichst gut überbringen können.

  • Wählen Sie eine neutrale Formulierung, die sich auf die konkrete Sachinformation bezieht (z.B. „Sie können die Prüfung nicht noch einmal wiederholen“).
  • Sprechen Sie ruhig und unaufgeregt, klar und deutlich.
  • Vermeiden Sie wertende Formulierungen wie z.B. „leider“, „natürlich (nicht)“, „selbstverständlich (nicht)“.
  • Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die Übermittlung „schlechter“ Nachrichten und führen Sie solcherlei Gespräche nicht „zwischen Tür und Angel“.
  • Bei sehr schwerwiegenden, weitreichenden Informationen (wie z.B. endgültiges Nichtbestehen) sorgen Sie eventuell dafür, dass die Rat suchende Person sitzt, die Tür geschlossen ist und eine ruhige Atmosphäre in Ihrem Büro herrscht (siehe auch Rahmenbedingungen der Beratung).

Umgang mit Verzweiflung/Weinen

Im Weinen und Schluchzen kommen Gefühle zum Ausdruck, die bis dato kontrolliert zurückgehalten wurden. Sie können durch die Frage nach dem Anlass der Beratung getriggert werden. Verstehen Sie diesen Gefühlsausbruch als wichtiges psychisches Ventil, durch das sich Ihr Gegenüber Erleichterung und Entlastung verschafft.

  • Verhalten Sie sich ruhig und teilnahmsvoll, wenn Ihr Gegenüber zu weinen oder schluchzen beginnt, auch wenn Sie erst einmal nicht wissen, worum es geht. Lassen Sie ihr oder ihm Zeit, sich selbst zu beruhigen. Bieten Sie ggf. ein Taschentuch an.
  • Seien Sie Ihrem Gegenüber mit Rückfragen und Aktivem Zuhören dabei behilflich, sein oder ihr Anliegen konkret zu formulieren.
  • Lassen Sie Ihrem Gegenüber Zeit, das Anliegen in Ruhe zu formulieren und halten Sie Zeitdruck aus dem Gespräch fern.

Umgang mit akuten psychischen Krisen

  • Wenn Ihr Gegenüber sich während des Gesprächs nicht beruhigt und/oder Suizidgedanken äußert, zeigen Sie Anteilnahme und Verständnis für die schwierige Situation („Ja, das ist eine schwere Situation“ oder „Ich kann Ihre Verzweiflung verstehen“).
  • Fragen Sie nach Unterstützungsmöglichkeiten im persönlichen Umfeld („Haben Sie jemanden, mit dem Sie darüber sprechen können, der Ihnen zur Seite steht?“). Notfalls fragen Sie auch, ob es jemanden gibt, der die Person aus der Beratung abholen kann.
  • Verweisen Sie auf Anlaufstellen bei psychischen Krisen. Es kann hilfreich sein, diese Liste (PDF, nicht barrierefrei) in gedruckter Form parat zu haben.
  • Sollte Ihr Gegenüber nicht glaubhaft von Suizidgedanken Abstand nehmen oder äußerst aufgebracht und nicht zu beruhigen sein, rufen Sie den Notdienst unter 112!

Quellen und weiterführende Literatur:
Weinberger, S. (2013). Klientenzentrierte Gesprächsführung. Lern- und Praxisanleitung für psychosoziale Berufe. Weinheim: Beltz.
Wimmer, A., Buchacher, W., Kamp, G., & Wimmer, J. (2012). Das Beratungsgespräch – Skills und Tools für die Fachberatung. Wien: Linde Verlag.