Grundhaltungen in der Beratung
 

Eine positive Grundhaltung gegenüber der*dem Ratsuchenden ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine gelungene Beratung. Sie kann als ein innerer Kompass dienen, der einen in Gesprächssituationen leitet. Sie ermöglicht einen Beziehungsaufbau, der von Akzeptanz und Wertschätzung, Empathie und Kongruenz geprägt ist und schafft ein soziales Klima, in dem die*der Ratsuchende die eigene Problemlösekompetenzen eigenverantwortlich erarbeiten bzw. einsetzen oder nutzen kann. Auch wenn es sich bei Ihnen um einen relativ kurzen Kontakt zum Studierenden handelt, kann Ihre Grundhaltung dazu beitragen, dass sowohl die*der Ratsuchende, als auch Sie als Berater*in die Beratung als gelungen und zielführend empfinden.


Diese Grundhaltungen können Ihnen helfen, eine professionelle und für alle Parteien zufriedenstellende Beratung zu gestalten.


Akzeptanz/Wertschätzung in der Beratung:

  • Eine akzeptierende und wertschätzende Grundhaltung ist frei von Bewertungen und Beurteilungen des Gegenübers.
  • Als Berater*in respektieren und achten Sie die*den Ratsuchende*n unabhängig von ihrem*seinem Verhalten.
  • Wichtig ist: Es geht nicht darum, jedes Verhalten wertzuschätzen, aber jede Person.
  • Hilfreich könnte im Sinne dieser Grundhaltung folgende Formulierung sein: „Es macht mich ziemlich wütend, wenn Sie von Ihrem Verhalten XY erzählen, und ich kann es auch in keiner Weise gutheißen; umso mehr möchte ich verstehen, was Sie dazu gebracht hat.“

Empathie in der Beratung:

  • Für die Grundhaltung der Akzeptanz und Wertschätzung kann die Empathie hilfreich sein, da sie das sich Hineinfühlen in den anderen ermöglicht.
  • Empathisch zu sein bedeutet, sich in die Welt der*des Ratsuchenden hineinzuversetzen und die Gesamtheit ihrer*seiner Gedanken, Gefühle und Bewertungen zu erfassen.
  • Sie versetzen sich als Berater*in in die Lage der*des Ratsuchenden, ohne sich jedoch mit ihr*ihm zu identifizieren.
  • Empathie ermöglicht eine gemeinsame Wirklichkeit von Ihnen und der*dem Ratsuchenden, sodass auch scheinbar unpassende Verhaltensweisen und Reaktionen der*des Ratsuchenden als aus ihrer*seiner Sicht durchaus verständlich und folgerichtig angesehen werden können.

Kongruenz/Authentizität/Echtheit in der Beratung:

  • Die Grundhaltung der Kongruenz oder Authentizität ermöglicht eine prinzipielle Offenheit gegenüber der*dem Ratsuchenden und lässt einen ehrlichen Kontakt zwischen Ihnen und der*dem Ratsuchenden entstehen.
  • Sie sind als Berater*in dann authentisch bzw. selbstkongruent, wenn ihre inneren Gedanken und Gefühle mit ihrem gezeigten Verhalten übereinstimmen.
  • Sie täuschen nichts vor, Sie verhalten sich transparent.
  • Wenn Sie bspw. ein bestimmtes Verhalten oder eine Äußerung der*des Ratsuchenden irritiert, können Sie das auch zum Ausdruck bringen und müssen es nicht „überspielen“.

Haltung des Nicht-Wissens in der Beratung:

  • Die Haltung des Nicht-Wissens ermöglicht die Erforschung alternativer Sichtweisen.
  • Gehen Sie zunächst davon aus, dass Sie und Ihr Gegenüber die Wirklichkeit durch unterschiedliche "Brillen" sehen
  • Sie können daher weder das Problem der*des Ratsuchenden, noch die Lösung für das Problem wirklich (er)kennen.
  • Dennoch können Sie als Berater*in die Wirklichkeitskonstruktion Ihres Gegenübers neugierig durchleuchten, Erklärungsmuster für Probleme hinterfragen, und alternative Hypothesen anbieten.
  • Für diese Haltung ist es wichtig, die eigene Unwissenheit als Berater*in auszuhalten, nach dem Prinzip Versuch und Irrtum vorzugehen und vor allem die Bereitschaft zum Lernen und zur Entdeckung unbekannter subjektiver Welten hochzuhalten.
  • Durch die Infragestellung der eigenen Glaubenssätze und Gewissheiten und der Glaubenssätze bzw. Gewissheiten der*des Ratsuchenden können eine enge Sichtweise vermieden und so neue Lösungsideen entwickelt werden.
  • Auch das Erkennen der eigenen Grenzen und Möglichkeiten der Beratungsarbeit gehört in diese Grundhaltung. Wenn Ihnen Ihre eigenen Grenzen als Berater*in klar sind und Sie über Einrichtungen und deren Zuständigkeiten innerhalb und außerhalb der Universität Bescheid wissen, können Sie die Ratsuchenden passend innerhalb des Hochschulraumes weiterverweisen.

Haltung der Neutralität in der Beratung:

  • Die Haltung der Neutralität bezieht sich sowohl auf eine neutrale Haltung gegenüber der ratsuchenden Person, als auch gegenüber ihren Problemen und Ideen.
  • Dies bedeutet, dass Sie weder die Person, noch das Problem oder die bisherigen Lösungsideen als positiv oder negativ bewerten.
  • So wird das Prinzip der Ergebnisoffenheit gefördert, was zu einer Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten führt.
  • Sie als Berater*in nehmen keine Tabus sowie keine Richtig-/Falsch-Bewertungen vor.
  • Sie beziehen als Berater*in alle für die Problemlösung relevanten Perspektiven ein.

Quellen und weiterführende Literatur:

Barthelmess, M. (2016). Die systemische Haltung: Was systemisches Arbeiten im Kern ausmacht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Rogers, C. (1981). Der neue Mensch. Stuttgart: Klett-Cotta.
Rohr, D. (2017). Der Gesprächsansatz nach C. Rogers. In B. Szczyrba, T. van Treeck, B. Wildt, & J. Wildt (Hrsg)., Coaching (in) Diversity an Hochschulen (S. 121-135). Wiesbaden: Springer.