Umgang mit komplexen Gesprächssituationen

 

In einer Beratung kann es zu komplexen oder schwierigen Gesprächssituationen kommen. Gründe hierfür und mögliche Lösungsstrategien können vielfältig sein. Im Folgenden sehen Sie eine Auflistung von Situationen, die in Ihren Beratungsgesprächen auftreten können und Möglichkeiten wie Sie diesen professionell gegenübertreten können.

 

Die*der Ratsuchende spricht eine Vielzahl von unterschiedlichen Themen an und hat scheinbar mehrere Anliegen.
  • Strukturieren Sie das Gespräch, indem Sie z.B. priorisieren lassen und wichtige Anliegen zuerst bearbeiten (siehe auch Gesprächstechniken). Wichtig ist hierbei, dass die  Rat suchende Person selbst das Thema bestimmt.
Es entstehen zwischendurch lange Gesprächspausen.
  • Wenn Sie Ihrem Gegenüber klärende Nachfragen stellen, kann es zu längeren Gesprächspausen kommen, wenn die*der Ratsuchende nachdenkt.
  • Halten Sie diese Gesprächspausen aus, um Zeit zur Reflexion zu geben.
  • Sollten Sie unsicher sein, ob Ihr Gegenüber Ihre Frage richtig verstanden hat, fragen Sie ruhig nach.
Die*der Ratsuchende zeigt Emotionen, wie z.B. durch Weinen.
  • Es kann hilfreich sein, die Emotion anzusprechen und Mitgefühl zu zeigen: „Ich verstehe, dass Sie das traurig macht.“
  • Geben Sie Ihrem Gegenüber Zeit, die Emotion selbst zu regulieren und ins Gespräch zurückzufinden.
  • Erkundigen Sie sich ggf. nach Hilfesystemen im privaten Umfeld, wie z.B. Freund*innen und Familie.
Die*der Ratsuchende wird wütend oder aggressiv.
  • Machen Sie Ihrem Gegenüber ruhig und sachlich Ihre eigenen Grenzen klar: „Ich möchte nicht, dass Sie in diesem Tonfall mit mir sprechen. Bitte beruhigen Sie sich.“
  • Falls sich die*der Ratsuchende nicht beruhigt, können Sie sie oder ihn des Raumes verweisen und das Gespräch abbrechen.
Sie können die Frage/n der*des Ratsuchenden nicht beantworten.
  • Seien Sie transparent und verbalisieren Sie, dass Sie die Frage nicht beantworten können: „Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.“
  • Wenn die Beantwortung der Frage in Ihrem Aufgabenbereich liegt, können Sie Ihrem Gegenüber anbieten, die Antwort per E-Mail nachzureichen.
  • Sollte die Frage nicht in Ihrem Aufgabenbereich liegen, verweisen Sie die Person an die passende Stelle, indem Sie z.B. die Informationen zu Einrichtungen und Zuständigkeiten an der Universität Osnabrück zurate ziehen.

Unproduktive Gesprächstechniken:
 

Es gibt Gesprächstechniken und Grundhaltungen, die in einem Gespräch destruktiv auf das Arbeitsverhältnis wirken können sowie die Offenheit und aktive Mitarbeit der*des Ratsuchenden einschränken, sodass eine lösungsorientierte, konstruktive Beratung erschwert wird. Dazu gehören:

  • Vorschnelle Schlüsse (Annahmen/Vorurteile) über die*den Ratsuchenden und das Problem bzw. Anliegen ziehen („Ach, wieder so jemand, die kenne ich gut“)
  • Annahme einer einzigen Wahrheit/Realität (die eigene) – Ausschluss einer subjektiven Sicht der*des Ratsuchenden („Das weiß doch jeder, dass man das so und so macht“)
  • Beschwichtigen („Das wird schon wieder“)
  • Bagatellisieren („Das ist doch nicht so schlimm“)
  • Dramatisieren („Oh je, das ist ja furchtbar!“)
  • Mitleid („Sie Arme*r!“)
  • Moralisieren („Das tut man aber nicht“)
  • Urteilen („Das ist doch der falsche Ansatz“)
  • Schuldzuweisung („Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben“)

Nehmen Sie stattdessen eine positive Grundhaltung zu Ihrem Gegenüber ein und versuchen Sie sich in konstruktiven Gesprächstechniken.

Das Drama-Dreieck

  • Das Drama-Dreieck bezeichnet ein typisches Interaktionsmuster, bei dem die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Menschen zu Verstrickungen und zu einem Ungleichgewicht führt und unproduktiv wird
  • In der Beratung entstehen komplementäre Rollen (Berater*in vs. Ratsuchende*r), die anfällig sind für das Drama-Dreieck
  • Die Kommunikationspartner*innen steigen unbewusst in eine der drei Rollen ein (Opfer, Retter, Verfolger) und verstricken sich in der Folge
  • Opfer: ist von der eigenen Hilflosigkeit und Unfähigkeit überzeugt; die anderen werden als stark angesehen und sollen bei der Problembewältigung helfen und Verantwortung übernehmen
  • Retter: weiß, was für die anderen gut und richtig ist; hilft anderen (auch ungefragt); ist stets tüchtig mit der Problemlösung anderer beschäftigt
  • Verfolger: denkt von sich, dass nur er recht hat; sieht die anderen als unfähig und dumm; wertet andere ab; strebt nach Kontrolle
  • Auflösen des Drama-Dreiecks:
    • Übertreibungen, Abwertungen, Verallgemeinerungen zurückweisen bzw. geraderücken
    • Auf die Meta-Ebene gehen (s. Metakommunikation), eigene Rollenübernahme reflektieren, ggf. Rollenverstrickungen ansprechen
  • Analysefragen für Beratungsgespräche, die aus Ihrer Sicht unvorteilhaft verlaufen sind:
    • Welche Rollen waren im Gespräch erkennbar?
    • Wer hat wann welche Rolle eingenommen?
    • Welche Grundhaltung kenne ich von mir? Bin ich eher Verfolger*in oder Retter*in?
    • Welche Aussagen führten in das Drama-Dreieck hinein? (oftmals erkennbar durch Verallgemeinerungen wie „immer“, „nie“, „alle“, „keiner“, durch Übertreibungen, Vorwürfe und Angriffe)
    • Wie kann ich aus dem Drama-Dreieck aussteigen?
  • Siehe auch Beispieldialog „Drama-Dreieck“

Beispieldialog "Drama-Dreieck"

In diesem Dialog wird deutlich, wie der Ratsuchende in die Opferrolle geht, in der Hoffnung, die Beraterin möge die Retterrolle annehmen. Das tut sie aber nicht, sondern begibt sich in die Rolle der Verfolgerin. Als der Ratsuchende beharrlich in seiner Opferrolle bleibt, schwenkt die Beraterin um und nimmt die Rolle der Retterin ein.

Ratsuchender:
„Ich bin durch die Klausur gefallen, die war wirklich zu schwer und ich hatte auch vorher gar nicht genug Zeit zum Lernen, weil so viel los war, auch für die anderen Fächer musste ich total viel machen. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles schaffen soll…“ (schaut Sie erwartungsvoll an).

Beraterin (leicht verärgert):
„Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben, wenn Sie nicht genügend Zeit zum Lernen einplanen. Andere schaffen es ja auch. Da kann ich Ihnen wirklich nicht helfen!“

Ratsuchender (senkt betroffen den Blick, spricht leise, kraftlos):
„In Ordnung, das kann ich verstehen (seufzt). Tja, dann ist mir wohl nicht mehr zu helfen… Und weiterstudieren kann ich ja auch nicht, solange ich diese Klausur nicht bestehe. BAföG läuft dann auch bald aus, ich weiß gar nicht, wovon ich dann leben soll…“

Beraterin:
„Naja, ich kann ja mal mit dem Dozenten sprechen, vielleicht war die Klausur ja wirklich nicht angemessen dieses Semester.“

Statt in das Drama-Dreieck einzusteigen wäre es hier sinnvoll gewesen, durch aktives Zuhören dem Ratsuchenden das Gehörte und Verstandene seiner Botschaft zurückzumelden und nach einem entsprechenden Anliegen für die Beratung zu fragen, z.B. so:
„Ich verstehe, dass Sie enttäuscht darüber sind, dass Sie die Klausur nicht bestanden haben. Sie machen sich jetzt Sorgen, wie Sie das Lernpensum schaffen sollen und haben Schwierigkeiten, alles unter einen Hut zu bringen, habe ich das richtig verstanden? Was möchten Sie heute in der Beratung klären/besprechen? Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?"

Quellen und weiterführende Literatur:
Greiwe, B., Fischer, S., Manoutchehri, M., Holtmann, A., Rickert, P., Rolfes, A., Storm, K., & Bendick, C. (2019). Leitfaden Studienfachberatung. Universität Münster.
Gührs, M. & Nowak, C. (2014). Das konstruktive Gespräch (7. überarb. und erw. Auflage). Meezen: Limmer Verlag.
Wimmer, A., Buchacher, W., Kamp, G., & Wimmer, J. (2012). Das Beratungsgespräch – Skills und Tools für die Fachberatung. Wien: Linde Verlag.